Einmal rund um Österreich!

Heute Morgen um 09:38 ist es so weit!

Unser Extrem-Radfahrer Torsten Weber tritt zu seiner großen Prüfung in diesem Jahr an: das „Race Around Austria!“

Mit dem Rad 2.200 km (30.000 Höhenmeter) NONSTOP entlang der grenznahen Straßen einmal rund um Österreich. Das sind wuchtige Zahlen, die auf die Fahrer zu kommen.

Aber wie bewältigt man so eine gewaltige Aufgabe? Ich habe Torsten schon auf einigen Events getroffen und begleitet. Vor 4 Jahren fuhr er als Solo-Starter ein 24h-Rennen in Duisburg. Dort radelte er ohne Pause in 24 Stunden so ziemlich genau die gleiche Anzahl von Runden, ich mit meinen Kumpels in einem 4er-Team gefahren bin. Das hat mich damals schon beeindruckt. Im Nachhinein wirkt ein 24 stündiges Rennen in einer stillgelegten Zeche aus dem Rheinland aber, in Anbetracht dieser Herausforderung namens „RAA“, wie ein Nachmittagsritt zur nächstgelegenen Eisdiesele!

Ich könnte Torsten jetzt 1000 und mehr Fragen über seine körperliche Fitness und den Trainingsplan der letzten Monate stellen. Jedoch wollen wir hier ja niemandem Minderwertigkeitskomplexe zum Thema Fitness einreden. Genau deshalb reden wir über die Herausforderung während des Wettkampfes. Psyche, Logistik, die Betreuung während des Wettkampfes… Alles das was der Laie erstmal wenig mit Radfahren in Verbindung bringt.

Hallo Torsten,

Schön dich so kurz vor dem Rennen noch antreffen zu dürfen. Ist nicht schon seit Monaten jeder Schritt genauestens geplant, damit das innere Gleichgewicht nicht ins Schwanken kommt?

Torsten: „Ja, also bis ins kleinste Detail ist das in den letzten Monaten noch nicht geplant worden. Durch die Rennen letztes und dieses Jahr waren sowieso schon viele Vorbereitungen erledigt.

Erst in den letzten Wochen ging es an die Details, um zu wissen wie man die 5 Tage herumbekommt. Wie macht man das zwischendurch mit Verpflegung, Spülen, etc.

Lebensmittel können zum Beispiel nicht alle im Voraus gekauft werden, sondern müssen auch zwischendurch organisiert werden.“

Tobias: Jeder, der deinen Blog bzw. deine Facebook-Gruppe kennt (https://www.facebook.com/groups/TorstenRAG18/), weiß ja schon ziemlich gut über die Abläufe beim Rennen Bescheid. Bei den letzten zwei Ausgaben vom Race-Across-Germany habt Ihr auch eine super Leistung mit der Live-Bericht-Erstattung gebracht. Deine regelmäßigen Zuschauer wissen es langsam einzuschätzen, wie gefährlich so ein „Hunger-Ast“, ein kleines Unwohlsein im Magen oder die gewöhnlichen Ermüdungserscheinungen für so ein Rennen sein können. Aber was war denn das Schlimmste, das du bisher überwinden musstest?
Ich würde ja glatt darauf tippen, dass es das verloren gegangene Teamfahrzeug beim letzten rennen war.

Torsten: „Mmmh ja, da hast du schon ziemlich richtig getippt. Aber aus daraus haben wir gelernt. War aber schon doof, das muss man sagen. Denn in dem Moment machst du dir einfach Sorgen was mit den Leuten passiert ist. Du denkst an einen Unfall oder sowas.

Tobias:“ Und selbst der Egoist würde sich dann schon Sorgen um seine Nahrung machen.“

Torsten: “Ja gut, das war dann so die erste Sorge als seit 3 Stunden immer noch keiner zu sehen war. Dann machst du dir erst Gedanken darüber: „jetzt müsstest du essen und trinken…Wie kriegst du das jetzt hin…“ Aber als dann nach 4 Stunden immer noch niemand da war, habe ich mir dann langsam Sorgen gemacht ob da wirklich nichts Schlimmes passiert ist. Aber ist ja noch gut ausgegangen!

(Für den unwissenden: Durch die Baustellensituation im Stadtgebiet Bonn waren Begleitfahrzeug und Radfahrer extrem lange voneinander getrennt)

Tobias: Dein Team liest dir ja, besonders zu den schweren Momenten, die Grüße deiner Fans vor. Was löst das eigentlich genau aus? Natürlich freut sich jeder wenn ihm gut zugesprochen wird. Aber ist es auch ein wenig die Erinnerung daran das man ja doch die ganze Zeit „beobachtet“ wird? Quasi eine Erinnerung, dass man den Schweinehund zu jeder Zeit überwinden muss?

Torsten: Also ich habe das früher immer so ein bisschen belächelt, als ich die ganzen Berichte von den Ultra-Cycling-Leuten gelesen habe, die dann nachts die ganzen Facebook-Kommentare vorgelesen bekamen. Da habe ich mir dann anfangs gedacht, dass Ich mir die ja wohl auch nach dem Rennen durchlesen könnte.

Aber da habe ich mich echt getäuscht. Das Hilft enorm weiter! Es ist schwer zu erklären, aber du bist irgendwann einfach in so einer Phase drin, wo du ein tierisches Kopfkino hast und einen Teufelskreis in deinen negativen Gedanken und da hilft es echt enorm, wenn man das dann vorgelesen bekommt. Man ist abgelenkt: Das Hirn kann nur an eine Sache gleichzeitig denken. Und in dem Moment wo du zuhörst, wirst du abgelenkt von den negativen Gedanken.

Es ist dann auch richtig cool mit zu bemerken, wie viele Leute da bis in die tiefe Nacht mitfiebern. Das hilft wirklich, den Schweinehund zu überwinden!

Tobias: nachts ist es ja meist auch prinzipiell interessanter. Bei den 24h-Rennen mit Autos ist ja auch die Nacht irgendwie besonders interessant. Es ist halt nicht ganz so typisch in der Dunkelheit zu arbeiten.

Torsten: Ja, das kann gut sein. Wir haben in diesem Jahr auch noch einige coole neue Ideen, um das ganze live auch etwas spannender zu machen und die Zuschauer mehr einzubinden. Es wird Quizfragen geben, verbunden mit kleinen Gewinnen für Zuschauer.

Tobias: Hattest du während so einem Rennen schon einmal so absolut gar keine Lust mehr gehabt? Ich kann mir ja vorstellen, dass gerade im Laufe der anhaltenden Anstrengung das ganze mehr zu einem kleinen Wechselbad der Gefühle werden kann.

Torsten: Ja, ÖFTERS! Das kommt regelmäßig vor.

Tobias: Also wenn du den Moment nicht hast, dann läuft irgendetwas falsch mit dir?

Torsten: Du musst dir das so vorstellen, als Beispiel: An Silvester gibt’s viele Leute die sich vornehmen, mit dem Rauchen aufzuhören, oder abzunehmen. Am Anfang ist die Euphorie recht groß und es klappt recht gut, und dann flacht die Euphorie ab. Und der Trick ist, die ganze Zeit daran zu arbeiten, diese Euphorie wieder herzustellen. Und das fängt schon am ersten Tag an.

Tobias: Von Läufern kennt man diesen Zustand mit der Trance, wie ein Rauschzustand, in den man irgendwann gelangt. Hat man das unter Radfahrern auch?

Torsten: Ja, man nennt das beim Fahrradfahren eher „Flow“. Da habe ich habe das schon, dass man die Beine usw. gar nichtmehr richtig spürt. Aber so ein „Runners High“ in dem ich jetzt komplett weggebeamt bin, das hatte ich so bisher noch nicht.

Tobias: Wie sehen bei solchen Rennformaten denn die Kontakte mit Konkurrenten aus? Ehrgeiz versessende Widersacher oder Mitleidende im gleichen Boot?

Torsten: Ne, Also Konkurrenten sind es in dem Sinne eigentlich nicht. Bei einem 24h-Rennen ist das schon etwas anders, da trete ich an und will auch gewinnen.
Aber bei diesen Ultra-Cycling-Geschichten (also alles, was länger als einen Tag ist), da ist man selbst der Hauptgegner. Und deswegen beschäftigt man sich gar nicht so mit den anderen Leuten. Klar ist das immer mal wieder cool zu sehen welche Platzierung man hat, aber eigentlich macht man das auch nur um sich abzulenken mit ein wenig Rechnerei. „Wie ist die letzte Stunde so abgelaufen? Habe ich aufgeholt oder nicht?! Aber ansonsten ist das zweitrangig.

Tobias: Die Kontaktzeit mit den anderen Fahrern dürfte ja auch nicht allzu lange ausfallen, nehme ich an.

Torsten: Ne, ne. Deswegen. Man kennt natürlich ein paar Leute, da es ja in der Regel doch öfters die üblichen Verdächtigen teilnehmen. Ich kann jetzt nicht sagen, wie das bei so einem Christoph Strasser aussieht, der zum Gewinnen teilnimmt.

Wie hoch ist der höchste Punkt auf dem RAA? Hast du einen so schnellen Aufstieg, dass der Sauerstoff zu dünn ist? Wie hast du dich darauf vorbereitet? Wie reagierst du in dem Augenblick darauf?

Der höchste Anstieg ist der Groß Glockner. Der ist 2504m hoch gelegen. Ich war noch nie auf so einer Höhe, deswegen kann ich nicht sagen wie es mir da oben bekommen wird. Mit der Aufstiegsgeschwindigkeit muss ich mir aber keine Sorgen machen. Man fährt ja auch direkt wieder runter, von der Höhe.

Und man muss natürlich auch sagen das man da in so einem Leistungsbereich dort hoch pedaliert, dass man also noch im Grundlagenbereich ist. Also da sollten noch genug Reserven sein. Ich habe ja auch Trainingslager in den Bergen gemacht. Halt nicht ganz so hoch wie dort, aber das wird schon was bringen.

Tobias: Wie werden deine Malzeiten gestaltet sein? Und wie klappt das mit dem Essen? Nur Gel, oder habt ihr noch eine Gulaschkanone hinter dem Auto?

Torsten: Kein Gel und kein Gulasch!

Viel Flüssignahrung, wie auch Patienten nach Operationen bekommen. Möglichst viele Kalorien, aber Ballaststoffarm, Magenfreundlich! Das habe ich mit, werde ich allerdings nicht alleine mit klarkommen. Es gibt Leute die das die ganze Zeit nehmen. Z.B. zehn Tage am Stück bei so einem Race Across America. Das kriege ich aber irgendwie nicht hin. Ich brauche auch was zu kauen, zu essen. Wir haben also noch Milchreis, Porridge, Gries und auch Laugengebäck mit, gerne mit Frischkäse. Viel Auswahl an salzigen und süßen Sachen und natürlich auch Obst!

Tobias: Und die Pizza nach dem Zieleinlauf gibt’s auch wieder?

Torsten: ja das hoffe ich!

Und was ganz wichtig ist, wenn morgens die Sonne aufgeht, ist das Käsebrötchen mit dem Kaffee! Das ist mittlerweile schon so zum Standard geworden.

Tobias: Wofür hast du eigentlich diesen großen Bus? Was ist da drin? Und warum?

Torsten: Also der große Bus ist mittlerweile schon wirklich perfekt.

Angefangen mit Navigation (3 verschiedene Geräte für eventuelle Ausfälle und eines baugleich mit dem an meinem Lenker), über die Lautsprecher zur Kommunikation mit der Crew, für jeden Sitzplatz im Bus. Dann gibt’s noch eine Socialmedia-Kommandozentrale. Es wird dieses Mal die komplette Zeit über jemand für Socialmedia zuständig sein. Im hinteren Bereich geht es um Nahrung. Wir haben wir 3 Kühlschränke, eine Kaffeemaschine und einen Wasserkocher. Alles funktioniert während der Fahrt. Wir haben da einen großen Wechselrichter. Dazu gibt’s noch Sicherheitssysteme wie z.B. einen Gaskocher, falls der Strom einmal ausfallen sollte. Ein Waschbecken und eine Toilette sind natürlich auch noch dabei. Also es ist schon echt genial. Natürlich gibt es auch jede Menge Platz für weitere Klamotten. Auch einen Schuh und Handschuh-Trockner haben wir hier drin, und natürlich bis hin zu einer Motoroptimierung zum spritsparenden Fahren.

Hier herrscht Ordnung! Eine Vielzahl von Kleidungsstücken findet in der oberen Etage platz. Hoffentlich genug für alle möglichen Wetterkapriolen!

 

Reichlich Platz für zusätzliche Displays! 3 Navigationsgeräte werden es am Ende sein, die im Cockpit des Fahrzeuges platz finden müssen!

 

Tobias: Wer ist da drin?

Es befinden sich 4 Leute im Bus. Bisher waren es immer 3. Aber wir wollten hier mal was Neues ausprobieren. Sollten wir bemerken, dass es mit 4 Leuten nicht klappt, können wir dann auch ganz schnell reagieren. Wir haben da einen Plan B, wie wir auf 3 umschwenken.

Das heißt, hier drin werden Fahrer, Navigator und Socialmedia-Mann Sitzen. Und es wird Rotiert, damit jeder mal jede Funktion übernimmt.

Wir werden 24h-Schichten machen. Danach werden dann die Crews getauscht. Die eine geht ins Hotel und die andere fährt weiter. Während der Pause gibt’s dann aber immer noch viel zu tun. Zum Beispiel Flaschen ausspülen, auffüllen, Einkaufen fahren, usw.

Tobias: Welches Wetter wünschst du dir für das Rennen?

Ich bin eher einer, der Probleme mit Hitze hat. Die besten Rennen bin ich bisher immer im Sauwetter gefahren. Wobei ich ehrlich sagen muss: Richtig Spaß machen tut mir das nicht unbedingt! Aber ich weiß irgendwie, dass es keinem Spaß macht und deswegen motiviert mich immer das schlechte Wetter, weil ich dann weiß das die anderen sich vielleicht noch mehr hängen lassen. Aber wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre es idealer Weise 20°c und Sonnenschein. Und möglichst wenig Wind!

Tobias: Was glaubst du denn, wieviel Zeit du für die Strecke brauchen wirst?

Torsten: Das ist natürlich immer schwierig, wenn man so etwas noch nicht gemacht hat. Und es ist natürlich schwer mit dem Wetter. Aber so eine Richtzeit von 5 Tagen ist schon mal ganz gut. Wir haben eine Marschtabelle ausgerechnet von ungefähr 107 Stunden.

Ob das realistisch ist oder nicht, das werden wir dann sehen. Aber das große Ziel ist Dienstagmorgens zu starten. Und Samstagabends ist dann so ein Marktfest im Zielbereich. Das ist wohl ganz schön hergerichtet. Und wenn man dann noch am späten Samstagabend oder in der frühen Nacht noch durch das gefüllte Festzelt den Zieleinlauf hinbekommt, das wäre schon eine tolle Sache!

Tobias: So wie ich das in den letzten Rennen mitbekommen habe, ist das ja auch leider nicht so einfach in dieser Disziplin einen Zieleinlauf mit so vielen Zuschauern zu haben. Die Ankunftszeit kann ja schon sehr variieren. Und dann ist das ja auch nicht der absolut typische Breitensport.

Torsten: Ja, das wäre natürlich sehr cool, wenn das hinhauen würde. Aber das ist auch gar nicht das Wichtigste!

Tobias: Schön ist das aber doch sicherlich, wenn man am Ende nochmal so richtig gefeiert wird.

Torsten: „Natürlich!“

Tobias: Was passiert eigentlich nach dem Zieleinlauf? Sportlich und Privat. Eine Woche lang Couch, Essen und Fernsehen?

Torsten: Die Zeit danach ist dann für die Familie da. Wir fahren eine Woche lang in den Urlaub danach. Und die nächsten 2 Wochen ist dann nicht an Radfahren zu denken. Einfach mal alles das tun, worauf man in den letzten Monaten verzichtet hat. Ich les mir dann auch gerne nochmal die Kommentare durch. Alle Livevideos werde ich wohl nicht schaffen. Alles noch einmal rekapitulieren. Dann schreibe ich recht zügig danach den Rennbericht. Das macht dann auch nochmal alles Spaß, das zu durchlaufen.

Tobias: Wie sieht der Tag direkt nach dem Rennen aus? Es gibt ja Leute die laufen sich dann nochmal aus.

Torsten: „Naja so blauäugig wird man jetzt nicht sein, dass man davon ausgeht das ich keine wund gescheuerten Stellen habe. Auf Sattel sitzen wird dann erst mal nicht mehr zu denken sein.

Hier findet Ihr einen Livestream zu der Veranstaltung:
https://livestream.com/TeleHo/events/8779990

Hier könnt Ihr das Livetracking verfolgen:
https://race.perfect-tracking.com/race/raa2019/live?fbclid=IwAR19xvN-LiZ4u3dGZTpXWmKGQgmkEqTm1kzi5DxfxpneB2PX3oXX9G0JNYA